Tuesday, May 29, 2007

Zurück in Jerusalem

Mai 2007, ich bin zurück in Jerusalem. Bevor das Vorbereitungsseminar für unser Ökumenisches Friedensprogramm beginnt, habe ich Zeit für einen Spaziergang. Der führt mich durch die Märkte der Altstadt, an verschiedenen Kirchen vorbei zu den zwei Heiligen Stätten, die untrennbar voneinander den Mittelpunkt des Konfliktes darstellen: Die westliche Mauer des Tempelberges und der Heilige Bezirk mit Al Aqsa Moschee und Felsendom. Ich sehe auch auf die Ausgrabungsarbeiten, von denen wir einige Wochen zuvor gehört hatten: Sie haben Proteste und Unruhen ausgelöst, weil zu befürchten war, dass sie Schäden an der Al-Aqsa-Moschee verursachen könnten. Diese Stadt leidet unter der falschen Fragestellung: Wem gehört dieser Heilige Ort?

An einem der nächsten Tage machen wir eine Rundfahrt durch Jerusalem, immer wieder stoßen wir an die Barriere, die hier als 12 Meter hohe Mauer das annektierte Ostjerusalem vom besetzten Palästinensergebiet, Wohngebiete, die früher zusammengehört haben und auch Familien trennt.
Wieder einige Tage später beginnen wir unsere Arbeit. Wir stehen bei den Kontrollpunkten und beobachten den Transitverkehr von Palästinensern, die zur Arbeit, zur Schule, in die Krankenhäuser wollen, oder, am Freitag zum Gebet in der Al Aqsa Moschee oder zu Familienbesuchen unterwegs sind. Tina erzählt die Geschichte, die sie in Hebron gesehen hat, von dem Bauern, der seinen schwer bepackten Esel durch den Metalldetektor zwängen musste. Ich selbst werde meinem Lieblings-Kontrollpunkt wieder zum Narren gemacht, weil jedes Mal, wenn ich vor dem Drehgitter stehe und passieren will, das rote Licht erscheint und das Drehgitter gestoppt wird; das geht eine viertel Stunde lang, dann sehe ich einen Offizier lachend um die Ecke verschwinden und ich darf durch.

Später in der Woche, am 16. Juni, wird Israel seinen Jerusalem-Tag zur Erinnerung an die Eroberung und Befreiung Jerusalems feiern. Israelische Friedensgruppen protestieren gegen diesen Feiertag, weil sie es als feindselig gegenüber den Palästinensern empfinden, für die dieser Tag Niederlage und Verlust der Kontrolle über ihre Stadt bedeutet. Wir nehmen an einer Veranstaltung von Peace Now teil, die den Jerusalem-Tag alternativ feiern, mit der Losung: Zwei Staaten – zwei Hauptstädte. Wir treffen unter den Israelis mehrere Freunde, die sich hier kritisch gegen die offizielle Politik Israels engagieren.
An diesem Tag, dem 12. Mai, liegt ein rötlicher dichter Dunst über der Stadt. Später erfahre ich, dass dies der Chamsin war, der den Wüstenstaub über die Stadt auf dem Berge legt, das Foto zeigt es.

Wir machen einen Ausflug nach Lifta. Dieser Ort, einst größtes Dorf der Palästinenser vor Jerusalem, ist längst von den Karten Israels verschwunden. Seine Bewohner sind im Krieg von 1948 vertrieben worden und leben jetzt in Flüchtlingslagern in Palästina oder in Jordanien. Ihnen gehören die Grundstücke und die Ruinen, aber sie dürfen nicht zurück. Die Stadtverwaltung hat verschiedene Pläne, wonach hier ein Wohngebiet oder ein Park entstehen sollen. Wir sind hier mit einer israelischen Freundin, die ehrenamtlich für die Organisation Zochrot arbeitet und unter anderem mithilft, dass die Erinnerung an dieses palästinensische Dorf, sein früheres Leben und die Geschicke seiner vertriebenen Bewohner nicht verloren gehen. Die Kaktusbüsche blühen, als ob sie zeigen wollten, dass die Hoffnung nie enden sollte.


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