Sunday, November 05, 2006

Berichte aus Jerusalem

Berichte aus Jerusalem
Meinungen: Herr Thabet, palästinensischer Christ, Beit Hanina

Herr Thabet spricht Deutsch. Er war 4 Jahre lang in Deutschland, um eine Berufsausbildung zu absolvieren. Er hat Chemische Reinigung gelernt. Aber hier, in Ost-Jerusalem, wo er lebt, gibt es keine Chemischen Reinigungen.
Er war zwischen 1965 und 1969 in Deutschland. 1967 war Krieg und das Land, in dem er bis dahin gelebt hatte, Westbank als Teil Jordaniens, hatte aufgehört, zu existieren. Als er wiederkam, gab es diesen Teil Jordaniens nicht mehr und Ost-Jerusalem war von Israel annektiert. Er hatte Mühe, seine Jerusalemer Identität und Besitztitel auf das Haus durchzusetzen. In Deutschland war er mit einem Jordanischen Pass gewesen. Jetzt hat er ein Israelisches Reisedokument, aber als Nationalität steht darin: Jordanier. Was bin ich, fragt er auf Deutsch, Israeli? Nein. Jordanier? Nein. Palästinenser? Ja, aber das steht nirgends.

Herr Thabet fällt immer wieder ins Englische, weil es doch lange her ist, dass er Deutsch sprechen konnte und in diesem Land hat er keine Gesprächspartner für diese Sprache. Herr Thabet spricht über die Probleme, die Christen in diesem Land haben. Anders als beim Tee nach dem Gottesdienst in der Erlöserkirche, anders als aus dem Mund der Bischöfe, mit denen wir bisher gesprochen haben, spricht er aus, was die Christen offensichtlich sehr bewegt: Sie fühlen sich unsicher und unerwünscht in der muslimischen Gesellschaft. Wann immer die Emotionen hochkommen, wie bei dem Karikaturenstreit oder bei der Papstrede, dann werfen Muslime Steine in die Fenster der christlichen Palästinenser, Nachbarn werden zu Feinden und die verdeckte Angst, mit der die Christen immer leben, wird real.
Herr Thabet zeigt mir die Häuser ringsum. Er hat Glück, hier leben 4 oder 5 andere christliche Familien, die offenbar auch entfernt miteinander verwandt sind. Dann ist er doch ein Stück sicherer? Ja, sagt er, verglichen mit Familien, die allein in ihrer muslimischen Umgebung wohnen. Aber dann weist er auf ein größeres Haus, in dem eine Koranschule, die der Hamas nahe steht, ihren Betrieb aufgenommen hat. Sie seien besonders laut, nicht nur mit den Gebetsrufen, sondern auch mit dem täglichen Unterricht. Der Unterricht werde manchmal über Lautsprecher in die Nachbarschaft getragen. Sie sind besonders laut, sie wollen uns loswerden hier.
Herr Thabet schildert die Situation der lutherischen Familien, die hier in diesem Teil von Beit Hanina leben, als doppelt unerwünscht: Der Israelische Staat will uns loswerden, weil sie Jerusalem für sich haben wollen und die Muslime wollen uns loswerden, weil sie eine muslimische Gesellschaft sein wollen. Sie hassen uns. In Bethlehem habe im vergangenen Jahr 40 Familien, vierzig, wiederholt er auf Deutsch, die Stadt und das Land verlassen. Die Gemeinde wird kleiner, die zurück bleiben, verlieren ihren Mut.

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